Alltag mit persönlicher Assistenz
Für Jasper Dombrowski ist persönliche Assistenz unverzichtbar. Der 30-Jährige wurde mit einer Zerebralparese geboren und ist motorisch stark eingeschränkt. Acht Assistent*innen unterstützen ihn deshalb im Alltag, beispielsweise beim Einkaufen, bei einem Filmabend im Kino oder einem Spaziergang im Park. Durch die enge Abstimmung mit seinem Team kann er selbstständig leben. Er darf selbst entscheiden, mit wem er zusammenarbeitet. So kann er sein Leben spontan und nach seinen eigenen Wünschen planen.
Unterstützt wird er unter anderem von Hannah Bär. Sie gehört zu Dombrowskis Team und weiß, wie wichtig eine direkte Anstellung für beide Seiten ist: Sie sind ein stabiles Team, das flexibel planen kann. Damit Jasper ein normales Leben führen kann, organisieren und koordinieren sie sich eigenverantwortlich.
Tarifstreit mit Folgen
Doch ab 2026 soll genau dieses Modell weiter ins Hintertreffen geraten. Während die Löhne bei Assistenzdiensten vollständig finanziert werden, erkennt die Senatsverwaltung den von der Arbeitsgemeinschaft der behinderten Arbeitgeber*innen mit Persönlicher Assistenz (AAPA) und Verdi abgeschlossenen Tarifvertrag nicht an. Schon jetzt verdienen direkt angestellte Assistenzkräfte rund 340 Euro weniger im Monat als ihre Kolleg*innen bei den Diensten. Diese Schieflage führt zunehmend zu Abwanderungen.
Der Senat verweist auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Da die vorgesehene tarifliche Eingruppierung nicht dem geforderten Ausbildungsniveau entspreche, sei der Tarifvertrag von AAPA und Verdi nicht finanzierbar. Assistenzkräfte sind nicht verpflichtet, eine Ausbildung nachzuweisen. Zudem müsse angesichts knapper Haushaltsmittel gespart werden.
Gefahr für Wahlfreiheit und Teilhabe
Für die Betroffenen hat das unmittelbare Konsequenzen. Wenn sein Team wechselt, verliert Dombrowski seine Wahlfreiheit. Er könnte nicht mehr spontan ins Konzert oder ins Kino gehen, sondern wäre von Einsatzplänen abhängig. Damit ginge ein Stück Selbstbestimmung verloren, das für viele Menschen mit Behinderung von elementarer Bedeutung ist.
Auch aus ökonomischer Sicht erscheint ein Umstieg fraglich. Denn im Arbeitgeberinnenmodell fallen keine Kosten für Verwaltungspersonal, Büromieten oder Overhead an. Würden jedoch alle der rund 150 Berliner Arbeitgeberinnen zu Assistenzdiensten wechseln, entstünden deutlich höhere Ausgaben.
Appell des SoVD für den Erhalt des Arbeitgeber*innenmodells
Der SoVD Berlin-Brandenburg betrachtet das Arbeitgeber*innenmodell als zentrales Instrument, um das im Grundgesetz verankerte Wunsch- und Wahlrecht sicherzustellen. Menschen mit Behinderung dürfen nicht gezwungen werden, ihre Selbstbestimmung gegen finanzielle Engpässe einzutauschen.
Wir fordern die Senatsverwaltung deshalb auf, gemeinsam mit den Tarifparteien eine tragfähige Lösung zu finden, die gleiche Arbeit auch gleich bezahlt, ohne dass Wahlfreiheit und Teilhabe verloren gehen. Denn Assistenz bedeutet mehr als nur Unterstützung im Alltag – sie ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben.
* Ursprünglicher Artikel "Streit um Pflegefinanzierung in Berlin: Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung in Gefahr" von Madlen Haarbach für den Tagesspiegel