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Pflegebegutachtung per Telefon: Kein Freibrief!

Pressemeldung

Der Medizinische Dienst Bund hat die Richtlinien für die Feststellung von Pflegebedürftig-keit überarbeitet – die Neufassung ist seit dem 18. November in Kraft. Darin ist festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Begutachtung von Pflegebedürftigen mittels eines strukturierten Telefoninterviews durchgeführt werden kann. Der SoVD mahnt, dass dieses Begutachtungsformat kein Freibrief für eine weitere Flexibilisierung sein darf.

Die nach dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) mögliche Pflegebegutachtung durch strukturierte telefonische Interviews kann immer nur Ergänzung sein, aber keinesfalls Ersatz für den Regelfall der Begutachtung im Wohnumfeld der Betroffenen“, mahnt die SoVD-Landesvorsitzende Ursula Engelen-Kefer. Sie ist gleichzeitig Mitglied im Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes Bund, der die Richtlinien zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit verantwortet und gerade deren Novellierung vorgenommen hat – sie sind seit dem 18. November in Kraft. „Diese dürfen nicht als Freibrief für die weitere Flexibilisierung der Pflegebegutachtung missbraucht werden“, so Engelen-Kefer.

Der SoVD verschließt sich nicht der Notwendigkeit einer Anpassung der Begutachtungsverfahren bei den dramatisch steigenden Fällen von Pflegebedürftigkeit und entsprechend den Anträgen auf Pflegebegutachtung bei den Medizinischen Diensten in den Bundesländern. Bei über fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland ist die Anzahl der Anträge auf Begutachtung für die Feststellung eines Pflegegrades von 1,8 Millionen 2016 auf 2,6 Millionen 2022 und allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres um 20 Prozent angestiegen. Zusätzlich verzögert der Mangel an Fach- kräften eine sachverständige Begutachtung im häuslichen Wohnumfeld. Während der Corona-Pandemie sind Erfahrungen mit Telefoninterviews für die Pflegebegutachtung erfolgt, vor allem um Infektionsgefahren bei häuslicher Begutachtung zu vermeiden. Dies soll jetzt unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. bei Höherstufung oder Wiederholungsbegutachtung) fortgeführt werden.

„Als SoVD haben wir uns immer dafür eingesetzt, dass es grundsätzlich bei Begutachtungsverfahren im häuslichen Umfeld bleiben soll“, stellt Engelen-Kefer fest. „Allerdings werden auch wir uns Begutachtungen durch Telefoninterviews nicht verweigern, wenn sie strukturiert verlaufen, von erfahrenen Fachkräften durchgeführt werden und nur in engen Grenzen sowie nach dem ausdrücklichen Wunsch bzw. Einverständnis der Betroffenen durchgeführt werden.“ Dies hat der SoVD auch bei seinen Stellungnahmen zur Neufassung der diesbezüglichen Richtlinien des Medizinischen Dienstes eingebracht. „Wir werden daher im weiteren Verlauf vor allem über unsere Sozialberatung und unsere Sozialrechtsvertretung darauf achten, dass diese Bedingungen auch tatsächlich eingehalten werden“, so Engelen-Kefer. Schließlich geht es dabei um die Einstufung des jeweiligen Pflegegrades und damit um die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. „Wir werden nicht tatenlos zusehen, dass Pflegebedürftigkeit für die Betroffenen und ihre Angehörigen häufig mit Armut auch aufgrund zu langwieriger oder unzureichender Begutachtungsverfahren verbunden ist“, stellt die SoVD-Landesvorsitzende klar.